Abschied von der neuen Musik? Ein Festival mit Musik und Kunst von Michael von Biel

Porträt von Michael von Biel
Foto: Franz Fischer

Abschied von der neuen Musik?
Ein Festival mit Musik und Kunst von Michael von Biel

10.–12. Februar
In der Hochschule für Musik und Tanz Köln und der Alten Feuerwache.
Das Programm finden Sie am Ende dieses Artikels.

Von Rainer Nonnenmann

Ist es Unvermögen, wenn sich ein Künstler gängigen Festlegungen auf Disziplin, Form und Handwerk entzieht? Ist es bloß Dilettantismus, wenn er wahlweise mit Cello, Gitarre oder Klavier experimentiert und wie in der Rockmusik der 1960er Jahre unmittelbar körperlich Klänge hervorbringt und wirken lässt, ohne die Instrumente je wirklich gelernt zu haben? Was ist von einem Komponisten zu halten, der den traditionellen Kategorien Werk, Genie und Erfolg ebenso abschwört wie dem avantgardistischen Innovationsdrang? Vereint vielleicht gerade dieser Künstler am radikalsten Kunst und Leben, wenn er jenseits von bürgerlichem Beruf, festem Wohnsitz und Familienstand mit umso mehr persönlicher Freiheit, Reiselust und Drogenkonsum alternative Sichtweisen eröffnet?

Michael von Biel ist eine Ausnahmeerscheinung zwischen Musik, bildender Kunst und Literatur, zwischen europäischen Traditionen, US-amerikanischer Avantgarde sowie Schlager-, Tanz-, Rock- und Popmusik. Dabei verhießen seine Anfänge durchaus einen geradlinigen Werdegang. 1960 studierte er privat bei Morton Feldman in New York und 1962 erhielt er den Kompositionspreis der Darmstädter Ferienkurse. Dort gelang ihm 1964 mit seinem geräuschvollen zweiten Streichquartett auch ein Skandalerfolg, der Furore und die Fachwelt ratlos machte. Sein „Jagdstück“ für Ensemble und drei Gartengrills – 1968 im WDR Köln uraufgeführt – setzte einen anarchischen Kontrapunkt zu den „reinen Lehren“ von Dodekaphonie, Serialismus, Aleatorik und Fluxus.

Doch von Biel entfernte sich mehr und mehr von der Vorstellung, Partituren zu schreiben und Interpreten mit Noten zu beliefern. Stattdessen improvisierte er lieber auf elektronisch verzerrtem Cello oder der E-Gitarre, tat sich mit der Kölner Avantgarde-Band CAN zusammen, spielte bei Happenings. Schließlich ging er zum Studium bei Joseph Beuys an die Kunstakademie Düsseldorf und schuf während der folgenden Jahrzehnte hunderte Zeichnungen und Gemälde unter Einschluss von Fremdmaterialien, Texten, Postkarten, Fotos und Vorlagen aus der Kunstgeschichte. Erst später schrieb er vereinzelt wieder Streichquartette, Gitarren- und Klavierstücke. Das unangepasste Schaffen des 1937 geborenen Künstlers lässt sich nun vom 10. bis 12. Februar 2023 neu entdecken.

Das Festival „Abschied von der neuen Musik?“ veranstalten MusikTexte, ON Cologne und die Hochschule für Musik und Tanz Köln. Vier Konzerte präsentieren Werke aus allen Schaffensphasen von Biels, von materialen Erweiterungen und konzeptueller Offenheit bis zu neotonaler Einfachheit und improvisatorischer Spontaneität. Schauplätze sind der Konzertsaal der HfMT Köln sowie die Halle der Alten Feuerwache Köln, wo auch Bildwerke Michael von Biels ausgestellt werden. Die Interpreten sind der Pianist Thibaut Surugue, das Asasello Quartett, Mitglieder des Cologne Guitar Quartet sowie das Ensemble ColLAB Cologne der HfMT Köln und andere Studierende der Hochschule unter Leitung von Susanne Blumenthal.

Design: Florentin Ewest

Freitag, 10. Februar 2023

Fluxus – Eröffnungskonzert
Hochschule für Musik und Tanz Köln, Konzertsaal. 19 Uhr

Einführung: Dr. Hermann-Christoph Müller

The Plain Near S’Cairn / Die Ebene bei S’Cairn für mindestens fünf Streicher und mindestens fünf Bläser (1963), op. 7
Fassung elektronische Musik für vier Lautsprechergruppen (1963)
Welt 2 Aktionspartitur für Melodieinstrumente, Stimme, Körperklänge, Klavier, Gitarre, Schlaginstrumente Alltagsgegenstände aller Art (sechs bis fünfzehn Spieler) (1965)
deklination für Lautsprecher, sieben Instrumentalisten und (Alt-)Stimme (1965)
Komposition für großes Orchester Aufführung eines sinfonischen Werks auf durch Tücher abgedeckten Instrumenten (1968)

Ensemble ColLAB Cologne der HfMT Köln und ColLAB Cologne Orchestra
Juliane Bogner, Mezzosopran
Simon Spillner, Klangregie
Susanne Blumenthal, Leitung

Mitschnitt Deutschlandfunk Köln

Freitag, 10. Februar 2023

Zeichen und Orte, die sich formen – Malerei und Zeichnung von Michael von Biel
Alte Feuerwache, Halle. 21 Uhr

Eröffnung der Ausstellung
Kurator: Dr. Thomas Hirsch

Einführende Worte: Dr. Alexander Bell

Samstag, 11. Februar 2023

Neue Einfachheit? – Kammermusik
Alte Feuerwache, Halle. 17 Uhr

Traditionelle Stücke für zwei Gitarren op. 16/17, Hefte 1–3 (1974–1985)
IV Andante aus Heft 1 (1974)
II Con motound III Listesso tempo aus Heft 3 (1976/1977)
VI Andante Cantabile aus Heft 1 (1974)
VIII Con moto (Thema und Variationen) aus Heft 3 (1976/1977)

Doubles für Violine und Klavier (1961/1962) opus 2

Zwei Sätze für zwölfsaitige und spanische Gitarren Tempo I und Tempo II, aus Traditionelle Stücke Heft 4 (1976)
Improvisation für zwei elektrische Gitarren, Sätze 1-4, aus Heft 6 (1981/83)
Vier Stücke für zwei Gitarren (2001), Sätze 3 und 4, opus 30

Tal Botvinik und Tobias Juchem, Gitarre
Rostislav Kozhevnikov, Violine
Thibaut Surugue, Klavier

Mitschnitt Kulturradio WDR3

Samstag, 11. Februar 2023

Konzeption – Improvisation
Alte Feuerwache, Halle. 19:30 Uhr

28 Stücke für Klavier Auswahl (1987–1989)
Klavier-Solo Nr. 3 (1980/1981)
11 Stücke für Klavier, Auswahl (1989–1992)
Etüden und Gesangsthemen für Klavier (1968)

Thibaut Surugue, Klavier

Mitschnitt Kulturradio WDR3

Sonntag, 12. Februar 2023

Quartett – Quetsch
Alte Feuerwache, Halle. 11 Uhr

Cloches adoreuses Compositionen für Streicher (2007), erster Satz
Quartett mit Begleitung für Streichquartett und zweites Violoncello als Begleitinstrument op. 13 (1965/1966)
Quartett für Streicher Nr. 2 op. 6 (1963/1964)
Cloches adoreuses Compositionen für Streicher (2007), dritter Satz

Asasello Quartett
Rostislav Kozhevnikov (Violine), Barbara Streil (Violine), Justyna Sliwa (Viola), Teemu Myöhänen (Violoncello)
Niklas Seidl, zweites Violoncello

Mitschnitt Kulturradio WDR3

Eintritt frei. Anmeldung über die Veranstaltungsorte HfMT und Alte Feuerwache.

Eine Kooperation von ON Cologne, MusikTexte und der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Gefördert vom Kulturamt der Stadt Köln und der Kunststiftung NRW.